… oder kann das weg?

Diese Frage wurde sich in Düsseldorf schon öfter gestellt. Man erinnert sich an jenen Vorfall, als in der Kunstakademie Reinigungskräfte unwissentlich ein Kunstwerk zerstörten oder als, ganz aktuell, das Ordnungsamt Werke des Protestes kurzerhand aus dem Straßenbild entfernte.

Ein Akt der Unachtsamkeit oder ein symbolischer Akt der Ablehnung gegenüber dem, was als Kunst definiert wird?
Und dann war da dieser Moment, als der amerikanische Fotograf Robert Mapplethorpe Düsseldorf besuchte und Fotoshootings zu einem Preis von viertausend Deutsche Mark anbot. Ein Preis, der manche Augenbrauen in die Höhe schnellen ließ und damals die Grenze zwischen dem Gewöhnlichen und dem Außergewöhnlichen markierte. Einigen Düsseldorfern schien dieser Preis zu extravagant. Doch heute, im Rückblick, könnte sich mancher fragen, ob sie nicht den Schlüssel zu einem zeitlosen Schatz in ihren Händen gehalten haben. Denn die Werke Mapplethorpe sind längst nicht mehr bloß Fotografien; sie sind Symbole einer Ära, Ausdruck einer Vision und Spiegelbild einer Gesellschaft. Auch bei Instagram treffe ich immer öfter auf die Annahme, dass Fotografien Kunst sei, obwohl diese aus meiner subjektiven Sicht diese Kriterien bei Weitem nicht erfüllen, jedoch sind sie durchaus als ein Spiegelbild der Gesellschaft anzusehen.
Und genau das möge meine Frage nach dem, was Kunst ist, was eigentlich als Kunst betrachtet werden kann und wer darüber entscheidet, verdeutlichen.

Wann ist etwas Kunst?

Es geht mir bei dieser Frage nicht nur um unser Verständnis von Kreativität und Ausdruck, sondern auch um unsere Wahrnehmung von Schönheit und um etwas, das Bedeutung hat und unsere Erfahrung beeinflusst.

  • Ist “Kunst” vielleicht nur eine vielschichtige und subjektive Konstruktion, die sowohl individuelle Interpretation als auch gesellschaftliche Kontexte einschließt?
  • Muss Kunst eine bestimmte ästhetische Qualität haben, emotionale Reaktionen beim Betrachter hervorrufen oder gesellschaftliche Themen reflektieren?
  • Ist es die Fähigkeit der Künstler:in das Unsichtbare sichtbar zu machen, das Unausgesprochene auszudrücken und das Unbequeme anzusprechen?
  • Vielleicht liegt die Fähigkeit von Kunst auch darin, die Grenzen des Bekannten zu überschreiten und die Betrachter:innen dazu zu bringen, die Welt mit neuen Augen zu sehen.
  • Ist Kunst das, was im Herzen eines jeden Menschen entsteht, das, was Emotionen hervorruft, Gedanken anregt und den Geist erhebt?

Vielleicht ist es diese Vielschichtigkeit, diese Unvorhersehbarkeit, die die Kunst so lebendig und faszinierend macht? Vielleicht ist es genau diese Eigenschaft, die es den Reinigungskräften so schwer macht, zwischen dem Alltäglichen und dem Außergewöhnlichen zu unterscheiden, und die es dem Ordnungsamt so schwer macht, die Grenzen dessen festzulegen, was akzeptabel ist und was nicht.
Am Ende des Tages ist Kunst vielleicht mehr als nur ein Objekt oder eine Performance. Ist Kunst ein Spiegelbild unserer Menschlichkeit, ein Echo unserer Träume und eine Erinnerung daran, dass die Welt, in der wir leben, reich ist an Schönheit, Wundern und unendlichen Möglichkeiten?

Eine gängige Definition von Kunst ist, dass sie Ausdruck ist von menschlicher Kreativität und Emotion. Bei Gemälden, Skulpturen, Musik, Literatur, Fotografie und andere künstlerische Formen wird diese schöpferische Bemühung als ein Mittel des Ausdrucks verstanden, das es der Künstler:in ermöglicht, ihre Gedanken, Gefühle und Ideen auf eine symbolische oder ästhetische Weise zu vermitteln. Könnte so argumentiert werden, dass alles, was als Ausdruck menschlicher Schöpfung und Gestaltung dient, als Kunst betrachtet werden kann?

Eine weitere Perspektive auf Kunst konzentriert sich auf ihre Fähigkeit, Bedeutung zu vermitteln und menschliche Erfahrungen zu reflektieren. Kunstwerke können dazu dienen, komplexe soziale, politische oder emotionale Themen zu erforschen und zu kommunizieren. Sie können dazu beitragen, kulturelle Identitäten zu formen und historische Ereignisse festzuhalten. In dieser Hinsicht wird Kunst nicht nur als individueller Ausdruck, sondern auch als gesellschaftliches Phänomen betrachtet, das tiefe Einblicke in die menschliche Natur und die Welt um uns herum bietet.

Eine weitere Perspektive argumentiert, dass die Definition von Kunst stark von subjektiven Wahrnehmungen und Interpretationen abhängt. Was für eine Person Kunst sein mag, kann für eine andere völlig bedeutungslos sein. Diese Ansicht betont die Rolle der Betrachter:in oder Zuhörer:in bei der Bestimmung dessen, was als Kunst angesehen wird. Ein Werk kann verschiedene Reaktionen hervorrufen und unterschiedliche Bedeutungen für verschiedene Menschen haben. Somit wird die Frage “Wann ist etwas Kunst?” weniger durch objektive Kriterien als vielmehr durch individuelle und subjektive Perspektiven beantwortet.
Ist es vielleicht so, dass die Definition von Kunst stark vom kulturellen, historischen und sozialen Kontext abhängt? Das, was in einer Gesellschaft als Kunst angesehen wird, kann in einer anderen als profan oder unbedeutend betrachtet werden.
In Anbetracht dieser verschiedenen Perspektiven könnte ich sagen, dass die Frage “Wann ist etwas Kunst?” keine einfache oder eindeutige Antwort hat. Kunst ist eine vielschichtige und facettenreiche Konstruktion, die Ausdruck, Bedeutung, subjektive Erfahrung und gesellschaftlichen Kontext umfasst und sich im Laufe der Zeit verändern. Was heute als Kunst angesehen wird, mag morgen anders bewertet werden.

Fazit: Was von manchen als Kunst angesehen wird, muss für mich keine Kunst sein.

Mein Thema ist die Fotografie. Dabei geht es mir darum, Bedeutung zu vermitteln und menschliche Erfahrungen zu reflektieren. Mir ist bewusst, dass eine Fotografie verschiedene Reaktionen hervorrufen und unterschiedliche Bedeutungen für verschiedene Menschen haben kann. Auch ist der Kontext, in dem sie steht, nicht bedeutungslos.
Alles sehr verwirrend.
Ich denke dabei an die Entfernung von ehemals sehr geschätzten Denkmälern aus dem öffentlichen Raum. Oder an die Filme und Fotografien einer Leni Riefenstahl, deren Arbeiten im Ausland gerne als Kunstwerke gefeiert werden. Auch wenn sie dies sind, so hat die Künstlerin ihre Arbeit in den Dienst eines menschenverachtenden faschistischen Regimes gestellt und für mich persönlich kann es somit keine Kunst sein. Im Gegensatz dazu steht für mich Guernica, die Arbeit von Pablo Picasso, die den Krieg anklagt. Oder die Fotografien von Margaret Bourke-White, James Nachtwey, Robert Capa, Adam Ferguson, um einige wenige zu nennen, die ebenfalls den Krieg anklagen.

Sind die Fotografien eines Peter Lindberghs oder einer Annie Leibovitz Kunst?
Was ist mit Vivian Maier, Elliott Erwitt, Ansel Adams, Dorothea Lange, Steve McCurry, Irving Penn, David Bailey, Margaret Bourke-White? Ich könnte weitere Namen aufzählen und ich bin sicher, dass diejenigen, die auf Instagram ihre eigenen Arbeiten als Kunst bezeichnen, diese Namen noch nie gehört haben, sorry, doch in meinen Podcastinterviews habe ich erfahren, dass die Frage, auf wessen Schultern wir stehen, fast nie gestellt wird.
Es gibt auch Kunden von mir, die das, was ich mache, als Kunst bezeichnen. Ich nenne meine Arbeiten “fine art photography”, was übersetzt Kunstfotografie bedeutet. Was ich damit meine, ist mein Anspruch, den ich an meine Fotografien habe. So wie ich meine analogen Fotografien immer auch im Kontext der Zeit, in der sie entstanden sind, bewerte, haben meine aktuellen Arbeiten immer einen Bezug zum Kontext der Zeit, in der sie entstehen. Sicher spielt auch meine Gefühlslage eine Rolle, z.B. bei meinen Selbstportraits. Für mich ist es von Bedeutung, ob ich mit meiner Arbeit vorhandene Stereotypen bediene oder diese infrage stelle. Vor allem, wenn es um das gesellschaftliche Bild der Frau geht.

Unsere Wahrnehmung von Welt erfolgt über das, was wir visuell wahrnehmen, Bilder prägen unsere Wahrnehmung, vor allem in den sozialen Medien; Fotografien bilden die dominierende Sprache des Internets. Bilder dienen zur Dokumentation von Geschichte, bewahren Momente und prägen unser kollektives Gedächtnis. Fotografie hat die Macht, öffentliche Meinungen zu formen und Emotionen hervorzurufen. Fotografien sind auch Ausdruck der Meinung derjenigen, die diese Bilder machen.

Wir alle sind anfällig für die Kommunikationswirkung von Fotos. Dabei müssen wir ihnen gar keine bewusste Aufmerksamkeit schenken. Fotos platzieren ihre subtile Botschaft unkontrollierbar in unserem Unterbewusstsein, was sich die Werbung zunutze macht.

Doch was macht Fotos so wirkmächtig?

Dazu werde ich mich im nächsten Blogbeitrag äußern.

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